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Warum liefern E-Scooter und E-Bike-Hersteller immer so schwach dimensionierte Ladegeräte mit?

Verfasst: Fr 20. Jun 2025, 07:39
von Trimx
Guten Morgen zusammen,
ich bastle seit über zehn Jahren an Ladegeräten herum und habe damit Routinen entwickelt, die problemlos 5 A (teilweise sogar mehr) realisieren – ohne dabei nennenswerte Nachteile zu beobachten. Kürzlich habe ich mir den neuen RCB D7 E-Scooter zugelegt, und was sehe ich im Lieferumfang? Ein standardisiertes 3-A-Ladegerät.
Das finde ich extrem verschenktes Potenzial, denn mein 26 Ah-Akku könnte mit 10 A laden (1 C entspricht 26 A) ohne in kritische Temperaturbereiche zu kommen. Mir ist aufgefallen, dass Hersteller bei E-Bikes und E-Scootern fast ausnahmslos nur 3 A (oder weniger) mitschicken. Daher meine Fragen an die Community:

• Welche Gründe könnten dahinterstecken? • Sind Sicherheitszertifikate (CE, UL) der Hauptfaktor? • Geht’s primär um Kostenoptimierung bei den Netzteilen? • Oder soll– laut Herstellermeinung – langsameres Laden tatsächlich die Lebensdauer verlängern? (wobei 5A selbst schon sehr langsam wäre)

Aus meiner Praxis: Einmal habe ich einen 12 Ah-Akku mit 8 A geladen – er wurde zwar spürbar warm, blieb aber im grünen Bereich. Ansonsten war bei 5 A die Abwärme minimal. Ich bin deshalb ein wenig verwirrt, warum alle so vorsichtig und spartanisch mit der Ladeleistung umgehen.

Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen und Hypothesen!

Re: Warum liefern E-Scooter und E-Bike-Hersteller immer so schwach dimensionierte Ladegeräte mit?

Verfasst: Fr 20. Jun 2025, 08:25
von didithekid
Hallo,

Na Ja, es spart dem Hersteller ja auch Geld, wenn er da nur ein "langsames" Ladegerät mitliefert, das zudem (weil thermisch gering belastet) in den zwei Jahren Gewährleistungszeit mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Probleme macht. Der zusätzliche Verkauf von Schnellladegeräten mit höherer Ladeleistung kann dann wieder weiteren Umsatz generieren.
Für den Käufer, der eher auf den Neupreis des Fahrzeuges schaut ist es ja zunächst hinnehmbar, wenn der Akku am nächsten Morgen wieder voll ist. Kundengemecker gibt es direkt nach Kauf eher bei lauten Ladegeräten, deren Gebläse nervig zu hören ist. Auch da ist ein 3 Ampere-Ladegerät natürlich im Vorteil gegenüber der 10 Ampere-Ausführung.
Für die Lithium-Akkus sind Ladeströme bis 0,3 C eigentlich immer unkritisch und die typischen Zellen für Fahrzeuganwendungen sind i. d. R. für 0,5 C Normalladung ausgelegt. Schnellladungen mit 1C oder auch 2C erzeugen natürlich übernormalen Stress für die Akkuzellen. Die Lebensdauer geht dadurch herunter, aber nun auch nicht so drastisch, dass man das nie tun sollte. Die DC-Schnellladung (CCS) liegt ja in dem Bereich bis 2C.
Übertragen auf einen Roller-Akku mit 26Ah wären das ja 52 Ampere Ladestrom. Die stärksten Lader für die Haushaltssteckdose gehen aber nur bis maximal 25 Ampere.

Viele Grüße
Didi

Re: Warum liefern E-Scooter und E-Bike-Hersteller immer so schwach dimensionierte Ladegeräte mit?

Verfasst: Fr 20. Jun 2025, 08:33
von STW
1. Das schwache Ladegerät ist preiswerter
2. Der Eingangszweig des BMS kommt mit preiswerteren Komponenten aus, 3A-Transistoren / MOSFets kosten weniger als 10A-Typen und bauen kleiner
3. Lebensdauer der Akkus, weniger Ladestrom = weniger Belastung, weniger thermische Arbeit des Materials
4. Der Innenwiderstand des Akkus steigt bei tieferen Temperaturen. Bei höheren Strömen kommt man eher in den Bereich, in dem die Balancer eingeschaltet werden. Werden die eingeschaltet, dann muss zwangshaft der Ladestrom reduziert werden, weil die nur ein paar mA verbrennen können. Wird aber der Ladestrom reduziert, dann braucht man die Balancer nicht, ..., ein kleiner Teufelskreis. Letztendlich, wenn das BMS nicht selbst die Ladeleistung des Ladegerätes regeln kann, läuft das Balancing der Zellen eher auseinander. Bei gealterten Zellen / billigsten Zellen ist das ein Problem.
5. Gewicht der Ladetechnik: mehr A, mehr Gewicht, damit weniger mitnahmefreundliche Technik, damit noch weniger praktikabel für längere Fahrten, bei denen nachgeladen werden muss

Technische Konstrukte sind immer Kompromisse und eine Abwägung zwischen Produktionskosten, Verkaufbarkeit, Haltbarkeit, ....

Re: Warum liefern E-Scooter und E-Bike-Hersteller immer so schwach dimensionierte Ladegeräte mit?

Verfasst: Fr 20. Jun 2025, 08:55
von Trimx
Wobei mann aber anmerken kann das ein 5€ BMS schon bereits bis 10A Nutzen kann

Re: Warum liefern E-Scooter und E-Bike-Hersteller immer so schwach dimensionierte Ladegeräte mit?

Verfasst: Fr 20. Jun 2025, 11:14
von STW
Manche BMS haben unterschiedliche Zweige für Ladung / Entladung.
Da mag es auch billige BMS für 10A Ladestrom geben, aber dann gibt es möglicherweise das Problem der Wärmeabfuhr bei beengten Einbauverhältnissen.

Re: Warum liefern E-Scooter und E-Bike-Hersteller immer so schwach dimensionierte Ladegeräte mit?

Verfasst: Fr 20. Jun 2025, 11:21
von andreas7
Ich ärgere mich auch über die 300 Watt Ladegeräte für die billigen Elektrofahrzeuge aus China.
Die Leistungsklasse der 200-300 W Schaltnetzteile ist billig in China zu haben. Das passt in ein Plastikgehäuse mit einem Lüfter.
Der Lüfter verteilt den Dreck aus der Luft, der die Feuchtigkeit aufnehmen kann, direkt auf die Platine, was für die Lebensdauer abträglich ist.
Besser wäre ein Ladegerät der 1kW Klasse, besonders für Zweiräder, wenn man auch mal größere Strecken fahren will mit entsprechenden Zwischenladungen. Das alles geht problemlos über eine normale Schukosteckdose.

Ich habe mich lange für ein Tempo 45 Kabinenroller oder Microcar interessiert. Dann habe ich etwas tiefer in diem Tasche gegriffen und gebraucht eine VW e-up (Genauer einen Skoda I citigo) für 11.500 EUR gekauft. Der hat eine 32 kWh Batterie und zwei 3,7 kW Lader für zwei Phasen eingebaut.
Das war die bessere Entscheidung.
Diese China Microcars und Elektroroller sind billige China Plastikbomber. Da passt das Billig-Ladegerät ins Bild. Es darf alles nix kosten.........
Was soll man von der billig Elektronik aus China erwarten..... Der Motor soll eine Leistung von 2-3kW haben, das Ladegerät nur 200-300 Watt. :cry: :( :shock:

Re: Warum liefern E-Scooter und E-Bike-Hersteller immer so schwach dimensionierte Ladegeräte mit?

Verfasst: Fr 20. Jun 2025, 21:11
von conny-r
Du gehörst zu denen die rechnen können. Alles richtig gemacht.

Re: Warum liefern E-Scooter und E-Bike-Hersteller immer so schwach dimensionierte Ladegeräte mit?

Verfasst: Fr 20. Jun 2025, 22:32
von dominik
Viel schlimmer als wenig Ladeleistung finde ich persönlich das viele Ladegeräte keine Einschaltstrombegrenzung, schlechten Wirkungsgrad und keine aktive PFC haben.

Schade finde ich es trotzdem das wegen 5-10 gesparten Euros in der Herstellung wirklich bescheidene Ladegeräte im großen Stil ausgeliefert werden und den Stromverbrauch und die Wartezeit beim laden unnötig in die Höhe getrieben wird.
Aber solange Geiz geil ist wird sich wenig dran ändern.

Selbst bei namhafte Industrieladegeräten sind viele nicht besser.

Das war der Grund vor Jahren mich von gängigen Ladelösungen weg in Richtung hightech Telekommunikationsnetzteile umzuschauen.

Mein Top Favorit derzeit Delta DPR3000 in der 98% Wirkungsgrad Ausführung mit 1,4kg und 3kW Ladeleistung.
Nachteil dieser Netzteile, standardmäßig 48V (42-58V) , zudem der Lüfter und das ich es bis dato noch nicht geschafft habe deren CAN-Protokoll zu entschlüsseln. :(

Bei den Vertiv Netzteilen ging das in wenigen Stunden, da gibt es 4,3kW mit 1,7kg,
oder 1kW mit 600Gramm und 41x52x152mm, letzteres hat aber nur 95% Wirkungsgrad.

Das alles taugt halt leider nur für Leute die genau Wissen was sie tun. ;)
Die da verwendete Technik ließe sich aber auch für andere Spannungen und auch auf spritzwasserfest adaptieren, nur scheint es keinen groß genugen Markt dafür zu geben.

Re: Warum liefern E-Scooter und E-Bike-Hersteller immer so schwach dimensionierte Ladegeräte mit?

Verfasst: Sa 21. Jun 2025, 09:15
von andreas7
Eine aktive PFC ist schön und gut, dann ist die Stromaufnahme aus dem Lichtnetz exakt sinusförmig. Bei 300 Watt spielt das keine große Rolle,
ob 1,3 A Sinus oder Nadelimpulse von 2,6 A effektiv, bei einem Powerfactor von 0,5 entnommen werden. Das schafft jede Schukosteckdose und bei der Leistung ist das im Einzelfall kein großes Problem für das Niederspannungsnetz.

Wenn das Ladegerät einen Wirkungsgrad von 98% oder 95% haben soll, bin ich skeptisch. Man sollte auch mit 90% zufrieden sein.
Bei den Standartschaltungen wäre das ein realistischer Wert. Bei 300 Watt sind 30 Watt Verlust realistisch.
Nicht umsonst bläst da ein Lüfter permanent durch das Plastikgehäuse.
Dessen Leistung müsste man beim Wirkungsgrad auch berücksichtigen.

Bei einem Elektroauto hätten 60 Meter 2x1,5mm² Kupfer vom Zählerkasten zum Elektroauto bei 16 A Strom auch einen Wirkungsgrad von 90%.

Re: Warum liefern E-Scooter und E-Bike-Hersteller immer so schwach dimensionierte Ladegeräte mit?

Verfasst: Sa 21. Jun 2025, 09:47
von dominik
andreas7 hat geschrieben:
Sa 21. Jun 2025, 09:15
Wenn das Ladegerät einen Wirkungsgrad von 98% oder 95% haben soll, bin ich skeptisch. Man sollte auch mit 90% zufrieden sein.
Bin ich auch immer, darum messe ich jedes nach. ;)

Warum auf einen besseren Wirkungsgrad verzichten nur weil es ein paar Euro günstiger in der Herstellung ist.

An meinem Roller sind lüfterlose Meanwell mit 92,5% Wirkungsgrad verbaut, die sind von der Entwicklung her 15Jahre und älter, die neuere Meanwell UHP Serie schafft 95-96%.
Vor 15 Jahren waren auch noch Bleiakkus üblich, wer will die schon freiwillig? ;)

Bei den Telekommunikationsnetzteilen kommt es auf den Wirkungsgrad an, da diese dauerhaft über zig Jahre im Betrieb sind. Die Betreiber von Mobilfunkanlagen können alle rechnen und 5% besserer Wirkungsgrad amortisiert sich da in einem Jahr.
Letzteres ist bei den Rollerladern halt nicht der Fall, aber über ein Rollerleben würde sich ein ab Werk besserer Lader auch rechnen, zumal dann bei Leistungen von 500-600W komplett auf Lüfter verzichtet werden könnte und somit eines der ausfallträchtigsten Bauteile komplett entfallen könnte.

Bei PC Netzteilen, auch bei externen, gibt es seit Jahren Energiesparverordnungen, warum nicht auch für Ladegeräte.
In Massen produziert kostet ein deutlich besserer Wirkungsrad wenige Euro.
Ich hab noch 12Jahre alte 240W HP Laptop "Backsteine" rum liegen und das volumentechnisch halb so große neue Modell, kostet sicher keinen Euro mehr und läuft deutlich kühler

In den neueren E-Autos haben die integrierten Lader auch alle >95% Wirkungsgrad.

Es geht also, man muss es nur wollen.