Ich bin (Vor)Entwickler. Denke mir bei einem neuen Produkt selber ein Lastenheft / Produktspezifikation aus, von denen ich annehme, dass bei Erfüllen das Produkt funktionieren und so lange halten wird, wie gefordert. Dann geht es ans Konzepte ausarbeiten, bewerten, auswählen, auslegen und konstruieren, simulieren, bei Lieferanten anfragen und selbige dann auswählen, A-Muster bestellen und aufbauen, auf Herz und Nieren Prüfen, Abweichungen und Ausfälle analysieren und Verbesserungsmöglichkeiten ausarbeiten und umsetzen. Dann geht es in den B-Zyklus, schließlich C absolut werkzeugfallend und möglichst schon im Serienprozess aufgebaut, wenn auch noch nicht unbedingt im Serientakt. Und schon ab B wird dann validiert mit Dauerläufen, Klima- und Salzsprühnebeltests, Arizonastaub und Strahlwasser oder gar untertauchen (IP-Tests). Erst wenn das alles nach Lastenheft und auch in reellen Dauerläufen selbst in extremen Klima- und Wetterlagen zufriedenstellend funktioniert, und zwar mit einigen Dutzend bis hundert Produkten, DANN erst geht das Ding in Vorserie und Serie.Vectrixxer hat geschrieben:Bis BMW den E-Scooter fertig hat, vergehen noch Jahre.... wennse überhaupt auf die Strasse kommen.....
Das ist bei Deutschen Herstellern leider normal... Lässt sich so der Schein wahren dass man etwas tut, aber weiterhin werden dann die Stinker auf den Markt geworfen... sodass keinerlei Nische unbesetzt bleibt...
Sorry für die lange Litanei, aber es ist wohl nötig, um bei Leuten aus anderen Lebenslagen ein bisschen Verständnis dafür zu wecken, dass es etwas Zeit und Aufwand braucht, ein tatsächlich zuverlässig funktionierendes Gefährt in größeren Stückzahlen unter die zahlende Bevölkerung zu bringen.
Was viele Chinesische E-Zweiradhersteller machen scheint oft irgendwo mitten bei den A-Mustern anzusetzen, einfach mal alles abklappern, was so angeboten wird, vermeintlich passendes aussuchen und zusammenkloppen. Dann auf den Rollenprüfstand und am besten auf Youtube filmen, wie schnell das Hinterrad bei einer möglichst geringen Prüfstandslast wird und groß auf die Geschwindigkeitsanzeige zoomen.
Im besseren Fall mit zwei Personen besetzt ein paar habhafte Steigungen rauf und runterfahren (ebenfalls auf Youtube stellen), ein bisschen durch Hof und Produktionshalle flitzen, und wenn es das ausgehalten hat schnell auf die Homepage damit, auf Alibaba und Geschwister, und hau weg die Sche1ße, dass die Dollars rollen!
Die reale Dauererprobung auf der Straße machen die ersten Kunden, wir E-Rollerfahrer eben.
Im zweiten Produktionsjahr sind wir dann auf klassischem B- oder im besseren Fall C-Musterniveau, in das dann die gelernten Verbesserungen einfließen (mal mehr, mal weniger, je nach Geschäftsmodell des Herstellers, bzw. je nach Druck von guten Abnehmern), und vielleicht im dritten Produktionsjahr haben wir ein Niveau, dass im Großteil der Fälle ohne allzu viel Probleme funktioniert. Doch lauert schon das Nachfolgeprojekt in den Startlöchern, und der Zyklus beginnt von neuem, wenn auch hoffentlich mit höherem Reifegrad.
Der Hauptfehler, den die Deutschen (und auch Franzosen im Fall von Peugeot) machen ist, zu früh das Maul aufzureißen und gleich die Konzepte (noch vor A-Muster...) der Öffentlichkeit vorzustellen und den Mund wässrig zu machen, um dann zunehmend die sabbernden potentiellen Kunden vor den Kopf zu stoßen mit immer späteren Auslieferankündigungen, weil siehe oben, das Teil erst noch entwickelt werden will. Das soll schon zeigen, dass man was tut, aber es verärgert die Kunden. Das ist ein Riesen-Dilemma, in dem auch die besseren Chinesischen Hersteller stecken. Vor allem, wenn sie nicht in der Lage sind, sich selber Meilensteine zu setzen "So, jetzt ist Schluss mit Entwickeln, weiter geht's". Das ist z.B. Mountain Chen's besondere Schwäche, er will immer noch warten, bis die besseren Zellen, das bessere BMS, der bessere Controller da ist. Aber Kunde wird zunehmend unruhig.
Wir leben einfach nicht in einer idealen Welt...